Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
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Regelwerkvergleich

Vergleichende Untersuchung der Regelwerke der "alten" Rechtschreibung (Duden Rechtschreibung, 20. Auflage, 1991 sowie Ickler Rechtschreibwörterbuch, 1. Auflage, 2000) und der "reformierten", "neuen" Rechtschreibung (amtliche Neuregelung, 1996)

Das zuletzt vor der Reform (und gegenwärtig immer noch) amtlich gültige Regelwerk stand in der Auflage des Rechtschreibdudens, die 1991 erschien. Das war die erste Auflage, in der die lange Jahre getrennt geführten Dudenausgaben des Ost- und des Westteils Deutschlands (mit Redaktionssitzen in Leipzig und Mannheim) vereinigt und überarbeitet herauskamen. Seit 1954 bereits war der Rechtschreibduden mit offiziellem Segen die schulische Referenz für Rechtschreibfragen.

Eine beliebte Aussage zur Beschönigung der Reform war und ist immer wieder, mit ihr sei das amtliche Regelwerk von 212 auf 112 Regeln verschlankt worden. Dabei handelt es sich jedoch um eine Täuschung. Zunächst einmal müßte man korrekterweise eher von Adressierungsmarken oder Paragraphen als von Regeln sprechen. In Wirklichkeit wird jetzt unter einem Paragraph einfach durchschnittlich mehr abgehandelt als vorher. Als repräsentatives Beispiel dafür kann der Abschnitt über den Schrägstrich dienen:

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es seien fünf Regeln beseitigt worden, eine deutliche Vereinfachung habe stattgefunden. Der eingerahmte Wortlaut der Reformregel § 106 ist für sich genommen aber wenig hilfreich. Worum es eigentlich geht, also die wirkliche Regelsubstanz, das folgt erst in den mit (1) bis (3) numerierten Untergliederungspunkten. Und bei genauerem Hinsehen ist dann schnell zu erkennen, daß die Verwendung des Schrägstrichs eigentlich gar keine Änderung erfahren hat. Im reformierten Regelwerk ist einfach der gleichen Materie, für die Duden von 1991 sechs Regelkästen parat hat, nur ein einziger zugeordnet worden. Inhaltlich bleibt hier im Grunde alles wie gehabt, allein R 170 ist wirklich weggefallen (jedenfalls als Nennung im Regelwerk, denn es dürfte wohl auch künftig kaum als Fehler gelten, nach ihr vorzugehen).
Ein besonderer Gewinn an Übersichtlichkeit ist nicht festzustellen, ganz offensichtlich sollte die Neugliederung dem oberflächlichen Schein dienen, durch die Reform sei in beträchtlichem Ausmaß überflüssiger Ballast abgespeckt worden. Und tatsächlich sind auf diesen Blendtrick auch, von Kultusministern bis Pressemenschen, scharenweise Leute hereingefallen.

Insgesamt hat der Umfang des amtlichen Regelwerks jedoch deutlich zugenommen:

"alte" Rechtschreibung "reformierte" Rechtschreibung
Regelwerk Duden (1991)
bisherige amtliche Referenz, noch gültig bis 2005
Ickler (2000)
neue Darstellung der üblichen Rechtschreibung ohne Reformeinfluß
Neuregelung (1996)
reformiertes amtliches Regelwerk, gültig seit 1998
Textumfang ca. 20.000 Wörter (insgesamt)
ca.
17.000 Wörter (nur Rechtschreibung)
ca. 7.200 Wörter ca. 23.000 Wörter
Paragraphen 212 (insgesamt)
191 (nur Rechtschreibung)
29 112
Untergliederungen:
einleitender Punkt: ·
99 (insgesamt)
89 (nur Rechtschreibung)
32 selten; nur für Aufzählungen, keine Regelsätze
numeriert: (1), (2), (3) ... - 50 213
Anmerkungen/
Ergänzungen:
- 90
(Anm.; Anm. 1, Anm. 2 ...)
93
(E; E 1, E 2 ...)
Gesamtbetrag
Gliederungspunkte
311 (insgesamt)
280 (nur Rechtschreibung)
201 418

Die Angaben zu Wörtermengen in obiger Tabelle sind gerundete Beträge, die auf elektronischen Zählungen basieren. Die Originaldokumente wurden vom Computer eingelesen, durch eine Texterkennung geschickt und dann entsprechend ausgewertet. Mit Untergliederungen sind solche gemeint, die unterhalb der Paragraphenebene liegen, zu diesen also noch hinzuzurechnen sind, um einen groben Eindruck von der Komplexität zu erhalten.

Im Duden-Regelwerk werden, im Gegensatz zu den beiden anderen hier verglichenen Regelwerken, nicht nur orthographische Themen behandelt. Das ist in obiger Tabelle berücksichtigt. Bei einigen Paragraphen geht es um grammatische Angelegenheiten, die die Sprache bereits vor ihrer Verschriftung betreffen; hauptsächlich Fragen der Wortbeugung.

Doch das ist noch nicht alles: Es kommt auch vor, daß orthographische Themen, die im Duden noch behandelt werden, im Neuregelungstext einfach fehlen. Zum Beispiel erläutern die Duden-Regeln R 87 und R 88 die Verwendung von eckigen Klammern. Im Reformregelwerk gibt es kein Wort dazu – doch abgeschafft sollen die eckigen Klammern sicher nicht sein.

Außerdem sind die Dudenregeln teils redundant, z. B. werden einige Regeln durch andere zusammengefaßt. Der Inhalt von R 116 (Thema: Komma vor und oder oder) geht eigentlich schon aus anderen Regeln hervor, wird in R 116 nur noch einmal zur besseren Verdeutlichung zusammengefaßt.

Das orthographische Regelwerk der Reformer und das von Theodor Ickler (Professor für Deutsch als Fremdsprache in Erlangen und einer der kenntnisreichsten Reformkritiker) sind in gleicher Reihenfolge thematisch gegliedert. Im Gegensatz dazu ist die Gliederung des Duden-Regelwerks in erster Linie alphabetisch, d.h. Stichwörter wie Abkürzungen, Genitiv oder Komma stehen in entsprechender Reihenfolge eingeordnet, ggf. mit Verweisen zu den betreffenden Regel-Kennziffern.

Aus vielerlei Hinsicht eignet sich also Icklers Darstellung der üblichen (nichtreformierten) Rechtschreibung besser zum Vergleich mit dem Reform-Regeltext als das Regelwerk des früheren Duden. Weil sein Ansatz sich zudem an der wirklichen Schreibpraxis gehobener Literatur orientiert und gleichzeitig liberaler ausfällt als das Dudenregelwerk (ebenso übrigens gegenüber dem Reformregelwerk), ist er auch als Vorschlag zu werten, wie eine Norm aussehen könnte bzw. sollte, die auf die mißglückten Reformänderungen ebenso verzichtet wie auf einige tatsächlich vorhandene Schwierigkeiten der bisherigen Dudennorm, die in übertriebenen Spitzfindigkeiten zum Ausdruck kamen.


Im Internet ist der gesamte Regeltext der Neuregelung bei der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission sowohl als Hypertext für den Webbrowser als auch in verschiedenen anderen Textformaten zum Herunterladen zu haben. Eine ältere Fassung des Regelwerks von Theodor Ickler gibt es bei www.rechtschreibreform.com. Hier auf der VRS-Seite ist eine synoptische Gegenüberstellung der aktuellen Fassung des Ickler-Regelwerks mit der Neuregelung in Arbeit. Bereits fertig ist Teil 1, der den Bereich Laut-Buchstaben-Zuordnungen behandelt:


Teil 1 - Laut-Buchstaben-Zuordnungen
Teil 2 - Getrennt- und Zusammenschreibung
Teil 3 - Groß- und Kleinschreibung
Teil 4 - Schreibung mit Bindestrich
Teil 5 - Zeichensetzung
Teil 6 - Worttrennung am Zeilenende

Eine sehr anschauliche Gegenüberstellung des Textumfangs dieser beiden Regelwerke findet sich auf dem VRS-Flugblatt "Welches Rechtschreibregelwerk willst du ab 2005 beherrschen sollen?" (PDF-Format, 369 KB).
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Letzte Änderung am 8. Sept 2003